Samstag, Oktober 08, 2005

Week van het brood

Den wesentlichen Teil meines Lebens habe ich in Deutschland, in einer Region nicht weit von der niederländischen Grenze verbracht. Holland war irgendwie immer schon präsent. Dorthin fuhr man übers Wochenende, zum Kurzurlaub, wenn bei uns Feiertag war, wenn man mal Lust auf Ausland hatte, einfach so... Holland war irgendwie anders... cooler.
Was niemals irgendwer von uns cool fand, war holländisches Brot. Eine unsäglich schlappe Angelegenheit von schwammartiger Konsistenz. Es geht das Gerücht, man könne ein ganzes niederländisches Vollkornbrot ohne Mühe in einer Kleinbildfilmkapsel unterbringen.
Mein Eindruck war immer, dass Brot als solches den Niederländern einfach nicht wichtig ist, mehr als Träger für Pindakaas, Käse, Hagelslag denn als eigenes Nahrungsmittel gesehen wird.
Seit ich hier lebe, weiß ich dass diese Einschätzung falsch war.
Kurz nach meinem Umzug in die Niederlande hörte ich im Radio zufällig einen Werbespot für niederländisches Brot, Teil einer großen, jährlich Anfang Oktober gefeierten Kampagne, der "week van het brood" (Woche des Brotes). Ich verstand bald, dass die Niederländer ihr Brot genau richtig und total klasse finden, exakt so pappig wie es ist soll es auch sein. Irritiert nahm ich zur Kenntnis: Es liegt gar nicht daran, dass die Bäcker nichts anderes hinkriegen, und egal ist es auch nicht. Zwar gibt es in diesem Land keine Backkultur (Niemand außer freaks und Ausländern backt freiwillig irgendwas. Backzutaten sind teuer und in ernstzunehmender Auswahl nur im Feinkostladen erhältlich. Wer doch was backt wird bestaunt und gilt als Küchenheld...) aber mit ihrem Brot sind sie im Reinen.
Nun lebe ich seit Jahren hier, bin glücklich und zufrieden, integriert und assimiliert, aber diese Schwammzeug macht mir nach wie vor Probleme... nein, sagen wir... es kommt mir nicht ins Haus... oder noch besser: SOWAS ESSE ICH NICHT!
(Laut einer aktuellen Untersuchung zur "Verandering van de nationale identiteit van Duitse immigranten in Nederland", Mira Peeters-Bijlsma, Promotion 12.Oktober 2005 an der Uni Nijmegen, bin ich mit diesem Problem übrigens nicht allein: Auf die Frage "Was vermissen Sie in den NL am meisten" stellten 87% der befragten deutschen Immigranten die Antwort "Brot und Backwaren" auf Platz 1 ihrer persönlichen Liste.)
Aber zurück zum Titel und dem happy end der Geschichte.
Meine persönliche week van het brood hat begonnen, und sie wird andauern... Meine Langmut wurde belohnt. Meine Lebensqualität stieg innerhalb der letzten Tage um mindestens 42%.
Ich habe Sauerteigbrot gegessen. Frisch, nicht importiert und tiefgefroren. Es gab Roggenbrot ohne Schwammeffekt, knusprige Brötchen, Hefegebäck mit Mohnfüllung und ganz ohne Geschmacksverstärker.
Morgen zum Frühstück werde ich ein Milchbrötchen... oder eine Scheibe Vollkornbrot... ach, und wenn es alle ist, dann kaufe ich einfach Neues! Denn in unserer Nachbarschaft hat ein polnischer Bäcker aufgemacht, und der Mann kann backen. Ich kann wieder Brot kaufen, einfach so! Es ist legal, es ist bezahlbar, ich kann mit dem Fahrrad hinfahren... Hosiannah!
Steffi